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Montag, 11. Februar 2008

Mal drunter, mal drüber

Wie eine Rüstung mutete die Kleidung der Frauen lange Zeit an: eng anliegende Jacken, Korsetts, jede Menge Kordeln und Fischbein, Schulterstücke, Umhängetasche und Handschuhe. Den Mittelpunkt dieser Festung aber bildete das Korsett. Und es hatte nur einen Zweck: die weiblichen Rundungen perfekt zu modellieren, den Busen und die schmale Taille, das Gesäß und die Hüften gemäß den ästhetischen und erotischen Regeln der Zeit zu betonen.

Ur-Korsett aus Kreta
Wann genau eine Frau zum ersten Mal ein Korsett trug, ist nicht bekannt, dennoch soll das Ur-Korsett aus Kreta stammen. Die berühmte Schlangengöttin aus Knossos, deren Statuette heute im Museum von Heraklion zu sehen ist, trägt ein einschnürendes Mieder, das den nackten Busen fest umschließt. Angeblich wurde das Mieder etwa 2000 Jahre vor unserer Zeitrechnung in Kombination mit einem knöchellangen Volantrock an hohen Festtagen getragen.
Durften sich Busen und Bauch im Mittelalter frei unter weich fließenden Gewändern wölben, so rückten ab Mitte des 16. Jahrhunderts die Hüften wieder ins Blickfeld, die Körperrundungen wurden sichtbar. Die Zeit des Reifrocks begann mit fünf bis sieben kreisförmig gebogenen und zusammengebundenen Weidenruten, die in die Röcke eingenäht wurden. Wenig später verfeinerten Holz, dann Eisendraht die Konstruktion. All diese üppige Röcke wirkten aber nur mit einem kontrastreichen Gegenstück: dem Schnürmieder. Voller Mitleid mit den Frauen, die dem damaligen Schönheitsideal nacheiferten, schrieb der Philosoph de Montaigne 1580: „Um ein schmale Figur zu erhalten, welche Höllenqualen litten sie nicht; eingeschraubt und eingepresst von all den starken Stäben über de Rippen, bis zum rohen Fleisch. Ja, manchmal litten sie fast zu Tode.“

35 Zentimeter Wespentaille
Etwa zwei Jahrhunderte war das Schnüren noch „en vogue“. Die Wespentaille reduziert auf bis zu 35 Zentimeter galt lange Zeit als Schönheitsideal. Danach konnten die Damen wieder richtig schlemmen. Bis ins 19. Jahr­hundert hinein waren die Brautkleider des Empire-Stils, weich fließende Traumkleider mit hoch angesetzter Taille, in Mode. Ein kleines Bäuchlein konnte Frau bequem unter mehreren Kleiderlagen verstecken. Dann erlebte das Schnürmieder sein Comeback, war nicht länger Instrument der Verführung, sondern vielmehr des Anstands. Jede sittsame Frau hatte sich gefälligst zu schnüren, sogar unter der Badekleidung. Das erhöhte auch gleich die Chancen auf dem Heiratsmarkt. Zu Hause trugen die Damen lange Haus- und Frisierjacken, darunter nur ein Camisol - ein kleines Miederjäckchen. Gingen Sie abends in Gesellschaft, fingen sie schon nachmittags mit dem Schnüren an: Alle Viertelstunde musste die Zofe ein wenig enger zurren, bis am Abend das angestrebte Taillenmaß erreicht war. Schwerste Deformationen der Lunge, der Leber, des Magens und Verdauungstraktes sowie Verformungen der Rippen waren die Folge. Selbst bei Schwangerschaften ließen die Frauen nicht davon ab, was nicht selten zu Früh- und Fehlgeburten führte.

Freiheit für die Frauen
Das Korsett des frühen 19. Jahrhunderts wurde fast ausschließlich im Rücken geschnürt. Diese Unterwäsche wies jedoch keine Ähnlichkeit mehr mit der rüstungsartigen Schnürbrust auf. In den Katalogen jener Zeit haben die Frauen die Auswahl zwischen unzähligen Modellen: Hochzeitskorsetts, Reise- und Morgen-, Nacht- und Sommerkorsetts, Korsetts zum Reiten, für Bälle, zum Baden oder sogar zum Singen. Die Mieder waren bestickt, mit Seideneinsätzen und allerlei Schleifen und Bändern versehen. Ab 1828 wurden die Schnürlöcher mit Metallringen verstärkt; eine geübte Zofe konnte so jeder Taille noch ein paar Zentimeter mehr abtrutzen.
Das führte so weit, dass die Frauen beim Festessen nur am Wein nippten und kaum mehr gerade stehen konnte. Ohnmachtsanfälle waren programmiert. Die Lösung: Anstatt das Korsett zu lockern wurde kurz mal am Riechfläschchen geschnuppert. Bis zu vier Pfund Leibwäsche schleppten die Frauen damals mit sich herum. Hemd, Korsett, Seidenstrümpfe, darüber ein Leibchen, weit geschnittene Unterröcke, der oberste aus raschelndem Taft und rundum mit Rüschen besetzt. Anfang des 20. Jahrhunderts setzen sich immer mehr Frauen und Männer gegen diesen Körperkult zu Wehr. Als wahrer Held der Abschaffung des Korsetts wird der französische Modeschöpfer Paul Poiret gefeiert. „Ich erkläre ihm den Krieg“, schreibt er. „Im Namen der Freiheit setze ich mich für den Fall des Korsetts und die Verwendung des Büstenhalters ein.“ Erste Alternativen sind sanft formende Corselets mit eingearbeitetem Büstenteil: Die Frauen konnten nun endlich mal Luft holen. Nach dem ersten Weltkrieg konnte sie nichts mehr dazu bewegen, sich wieder einzuschnüren.

Madonna im Korsett-Look
Seitdem soll Lingerie nicht nur die verführerischen weiblichen Formen zur Geltung bringen, sondern noch dazu leicht und bequem sein. Hüftgürtel, Mieder, Hüfthalter sind dank gummielastischer Einsätze besonders komfortabel. Sogar Marlene Dietrich hielt formende Unterwäsche für unentbehrlich für jede Frau Miederhöschen und BH-Unterkleider zählten in den 50er Jahren zu den Wäsche-Highlights Ende der 60er und Anfang der 70er Jahr zwängte sich im Zuge der sexuellen Befreiung keine Frau mehr in ein Mieder. Wieder gesellschaftsfähig wurde die schmückende Verpackung in den 80er Jahren. Jean-Paul Gaultier, „enfant terrible“ der Pariser Modeszene und Vivienne Westwood kreierten Corsagen, Camisoles, Tanzgürtel und Torselets in Verbindung mit Abendkleidern. Auf ihrer „Blond Ambition World Tour“ zwängte sich Madonna gar in ein goldenes Gaultier-Korsett mit kreisrunden Körbchen. Als Unterwäsche ist das Korsett nahezu verschwunden, als schmückendes Oberteil in der Braut- und Abendmode aber unschlagbar.

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